Mobilitätsstrategie Frankfurt RheinMain (2022)

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Konzept des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain

Rouven Kötter – früherer Bürgermeister von Wölfersheim und jetzt Erster Beigeordneter und Mobi-litätsdezernent des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain – stellte auf Einladung des Vereins Erneuerbare Energien für Schotten (EES) die Mobilitätsstrategie des Verbandes vor, dem 80 Kommunen angehören unter anderem auch Nidda, Echzell und Wölfersheim. Sie hatten den Re-gionalverband einstimmig beauftragt, eine Mobilitätsstrategie für die Region zu entwickeln. Sie wollten nicht länger auf Vorgaben der Landes- oder Bundesregierung warten, sondern gemeinsam handeln. Diese liegt nun vor und soll in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Es werden darin 19 konkrete Maßnahmen benannt mit deren Hilfe Mobilität für alle erreicht werden soll, unnötiger Verkehr vermieden und der nötige Verkehr besser gestaltet werden kann. Sie sind mit messbaren Verkehrs- und Klimazielen hinterlegt. 

Jutta Kneißel und Rouven Kötter präsentieren das Konzept des Regionalverbandes

Nun gehört der Vogelsberg nicht zur Region FrankfurtRheinMain, er muss jedoch mitgedacht wer-den. Denn der Stau in Frankfurt fängt mit den hier einzeln losfahrenden Autos an. Immer noch nut-zen 50 Prozent der Menschen in der Region für den Weg zur und von der Arbeit das Auto, 27 Pro-zent den ÖPNV und 12 Prozent das Fahrrad. Klar ist, dass die Menschen im ländlichen Raum mehr auf das Auto angewiesen sind und deshalb andere Antworten benötigen als urbane Berei-che. Das werde bei den vorgeschlagenen Maßnahmen berücksichtigt. So sei für den Wetterau-kreis gerade ein Pilotprojekt in Arbeit, in der für jede Kommune individuell zugeschnittene Lösun-gen als eine attraktive Alternative zum Auto entwickelt werden. Maßnahmen wären z.B. Car Sharing-Angebote, der Ausbau von On-Demand-Systemen, die sich flexibel den Bedürfnissen der Menschen anpassen, ein Schnellbusnetz und die bessere Taktung und mehr Angebote im ÖPNV. Gerade davon können die Schottener ein leidvolles Lied singen, wenn sie beim Umstieg in Fried-berg noch die roten Schlusslichter der Bahn nach Nidda sehen und der nächste Zug in zwei Stun-den fährt. 

Zum ehrgeizigen Ziel des Verbandes gehört, bis 2030 eine spürbare Verringerung im alltäglichen Verkehrsgeschehen zu erreichen. Die Menschen sollen weniger im Stau stehen, weniger Wege zurücklegen müssen und sich über einen Zugewinn an Bewegungsqualität freuen. Von jedem be-siedelten Ort in der Region soll innerhalb von 5 Minuten ein Mobilitätsangebot erreichbar sein. Al-lerdings kann der Regionalverband weder den Schienenweg um Frankfurt, noch den Fernbahn- tunnel oder den Ausbau der S-Bahn beschleunigen. Dafür fehlen Geld und Zuständigkeiten. Aber der Verband erstellt auf die einzelne Kommune bzw. Region zugeschnittene Konzepte, Machbar-keitsstudien und hilft bei der Beantragung von Fördergeldern. Wichtig ist dabei, dass für jedes Pro-jekt ein Kümmerer benannt wird, der für die Umsetzung verantwortlich ist. Das soll dazu führen, dass es nicht wie vielfach bei Absichtserklärungen bleibt sondern dass gehandelt wird. 

Eine zentrale Aussage von Kötter war, dass wir die Mobilitätswende nicht erreichen, wenn wir auf großen Infrastrukturmaßnahmen warten. Von der Planung bis zur Realisierung dauere es oft Jah-re. Deshalb müsse die vorhandene Infrastruktur optimiert bzw. ausgebaut werden. In einer Studie werden gerade alle noch vorhandenen und oft stillgelegten Gleisanschlüsse in der Region erfasst, um sie wenn möglich zu reaktivieren, damit mehr Verkehr auf die Schiene kommt. Der Verband habe als Ansprechpartner für die Kommunen einen regionalen „Schienencoach“ engagiert, der sie dabei berät. Als ehemaliger Bürgermeister von Wölfersheim, habe er dafür gesorgt, dass die Kommune die stillgelegte Eisenbahntrasse nach Hungen einschließlich des Bahnhofs kaufte. Jetzt gebe es eine realistische Chance, die Strecke wieder in Betrieb zu nehmen. Weiterhin werde ein regionales Wirtschaftsverkehrskonzept entwickelt, um die innerstädtischen Lieferverkehre bedingt durch den Online-Handel oder LKW-Fahrten in den Zuläufen zu den peri-pheren Gewerbe- und Industriegebieten besser zu steuern. Wenn es gelingt, diesen Verkehr bün-deln z.B. durch Mehrfachnutzung von Mikrodepots, Ladezonen oder Logistikflächen wäre schon viel gewonnen. 

Eines seiner Lieblingsprojekte ist die Entwicklung eines Radschnellwege-Konzepts für die Region. Neun Trassen sind derzeit in der Planung bzw. bereits in der Umsetzung. Am weitesten fortgeschritten ist der Radschnellweg von Frankfurt nach Darmstadt. Aber auch hier konnten erst ca. 15 Prozent der geplanten Strecke ausgebaut werden. Die Umsetzung liegt bei den einzelnen Kommunen und da hängt viel von der Initiative der örtlichen Akteure ab, die vorhandene Fördergelder nutzen müssten. Manchmal scheitert der Ausbau auch an privaten Grundbesitzern wie beim erst kürzlich erfolgten Lückenschluss des Vulkanradweges. Immerhin seien aber bereits drei der Radschnellwege in der Umsetzung, neben dem von Frankfurt nach Darmstadt einer aus dem Vordertaunus und einer von Hanau nach Frankfurt. Für die anderen 6 wurden Machbarkeitsstudien beauftragt. Im Vordergrund steht nicht die optimale Wegeführung sondern die mit den größten Realisierungschancen. 

Ohne größeren Planungsaufwand und mit relativ geringen Mitteln ließen sich darüber hinaus be-reits heute an vielen Bahnhöfen Bike+Ride-Anlagen zum Abstellen des Fahrrades bauen. An 32 Standorten in 16 Kommunen sei das bereits auf Initiative des Verbandes geschehen. Zu Fuß gehen! sei ein weiteres Ziel. Dazu werden für Wohnquartiere Konzepte für die fußläufige Erreichbarkeit von Versorgungseinrichtungen wie Supermärkte oder Apotheken und Bahnhöfen entwickelt. Die Nutzung des eigenen Autos solle minimiert, um so das Verkehrsaufkommen und den Verbrauch wertvoller Flächen einzudämmen. 

Wichtig sei es auch, alle Ebenen einzubinden und vor allem auch die Bürger mitzunehmen. Der große Vorteil des Verbandes ist, dass es zwischen den Kommunen abgestimmte Konzepte gäbe und sie bei vielen Fragen fachkundige Unterstützung finden. Das hat Nidda bewogen trotz eines relativ hohen Mitgliedsbeitrags dem Verband beizutreten. In der Diskussion wurde beklagt, dass es im Vogelsbergkreis keine Einrichtung gebe, die eine vergleichbare Strategie entwickeln und mit dem Regionalverband bei den bestehenden Verkehrsströmen abstimmen könnte. Eine gewisse Zusammenarbeit gäbe es aber in Fragen der Mobilität bei der Planung und Umsetzung der Kon-zepte für die anstehende Landesgartenschau, so Kötter abschließend. Dabei begännen einige Kommunen bereits jetzt mit der Umsetzung ihrer Vorhaben, was er nur begrüßen könne. 

Kreis Anzeiger 15.10.2022