Klimawandel in Hessen: In der Natur bereits zu beobachten – Jahreszyklen verschieben sich – Wetterextreme nehmen zu (2017)

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Jutta Kneißel und Peter Glasstetter mit dem Referenten Andreas Hoy (Mitte)

In Bonn verhandelten die Staaten der Welt gerade über Maßnahmen, um den Klimawandel auf der Erde zu begrenzen. Inwieweit sind auch wir in Hessen davon betroffen? Lassen sich heute überhaupt Aussagen für eine so kleine Fläche im weltweiten Vergleich treffen, vielleicht sogar für Schotten? Dr. Andreas Hoy vom Fachzentrum für Klimawandel Hessen in Wiesbaden erforscht mit seinen Kollegen die Folgen des Klimawandels für unser Bundesland. Ihn hatten Dr. Jutta Kneißel, Vorsitzende des Vereins Erneuerbare Energien für Schotten und Peter Glasstetter, Schottens Klimaschutzmanager eingeladen, um über die Klimaveränderungen und deren Folgen zu berichten.

„Was ist überhaupt Klima“, fragte der Experte gleich zu Beginn. „Inwieweit unterscheidet sich Klima vom Wetter?“ Klima sei die mindestens 30-jährige Langzeitbeobachtung von Wetter, dessen statistischer Mittelwert. Extrem heiße Sommer oder sehr kalte Winter machen noch kein Klima. Die habe es immer gegeben. Jetzt aber zeige der langfristige Trend von wärmeren Jahren eindeutig nach oben. So seien in Frankfurt – im Vergleich zu den mehr als 200 Jahren davor – seit 1988 fast alle Jahre zu warm gewesen. Die zehn wärmsten Jahre in der gesamten Zeit lägen nach der Jahrtausendwende.

Heiße Sommer wie wir einen 2003 erlebten werden zunehmen, selbst bei Einhaltung des politisch angestrebten 2-Grad-Szenarios. Gelänge es nicht den Temperaturanstieg darüber hinaus zu begrenzen hätte das erhebliche Folgen für uns. Die Sommer würden trockener und die Winter nasser. Extreme Wetterphänomene wie lokale Starkregen vor allem im Sommer würden zunehmen. Folgen sind rapide Überschwemmungen an Bächen und kleinen Flüssen sowie Erdrutsche. Ein Beispiel dafür erlebten wir im letzten Jahr im Schottener Ortsteil Sichenhausen. Viele hessische Buchenwälder könnten absterben, weil sie trotz Starkregen in den heißen Sommern zu wenig Wasser hätten.

Zu beobachten sind die Klimaveränderungen inzwischen auch an der Verschiebung der phänologischen Jahreszeiten wie Beginn und Ende der Vegetationsruhe im Winter, dem Frühlingsanfang mit der Blüte der Haselnuss, dem Sommeranfang mit der Blüte des Schwarzen Holunder und dem Herbst mit der Blattverfärbung. Die Winter sind im Mittel bereits kürzer und milder geworden. Das führe zu einem verfrühten Blühzeitpunkt, wobei die Spätfrostgefahren bestehen bleiben. In diesem Jahr erlebten wir das bei der Apfelblüte, die in vielen Gegenden von Hessen durch den Frost im Mai zerstört wurde. Inzwischen beginne sie pro Dekade drei Tage früher.

Diese längere Vegetationsperiode führe zur Zunahme von Schädlingen. So käme der Apfelwickler in heißen Sommern bereits auf zwei Generationen. Auch könnte bei einer weiteren Erwärmung der Winter der für bestimmte Pflanzen notwendige Kältereiz in manchen Jahren nicht mehr erfüllt werden. Viele Menschen leiden unter Pollenflug von blühenden Pflanzen. Die Haselblüte – ein Klimawandelfolgeindikator – beginne inzwischen im 30-jährigen Mittel Anfang März. Das sei ein halber Monat früher als noch vor 50 Jahren.

Ein weiterer besorgniserregender Indikator sei der Rückgang des Arktischen Meereises seit 1979. Seitdem wird es mit Satelliten beobachtet. Das Gesamtvolumen schwankt erheblich zwischen dem größten Volumen am Ende des Winters im April und dem niedrigsten am Ende des Sommers im September um fast ein Drittel. 2016 erreichte das größte Volumen am Ende des Winters aber nur noch das Niveau des Sommers von 1979.

Das Klima habe sich bereits geändert und werde sich weiter ändern, so das Fazit des Experten. Die Stärke hänge von den Treibhausgas-Emissionen der kommenden Jahrzehnte ab. Selbst wenn alle auf der Weltklimakonferenz in Paris zugesagten Emissionsminderungen eingehalten werden, bedeute das für Hessen einen mittleren Temperaturanstieg von ca. 3 Grad Celsius und in der Folge mehr heiße Tage über 30 Grad Celsius, die Verschiebung des Niederschlags vom Sommer in den Winter, mehr Starkregenereignisse, aber auch mehr Dürre im Sommer. Bei Einhaltung des 2-Grad-Zieles könnte ein Großteil der Änderungen vermieden werden.

Abschließend verwies Dr. Andreas Hoy auf die Projekte seines Fachzentrums. Sie arbeiteten an regionalen Klimamodellen für Hessen, die Aussagen über den Klimawandel auch für kleine Regionen zulassen. Der Deutsche Wetterdienst betreibt dafür hessenweit mehrere Dutzend meteorologische Messstationen, eine davon befindet in Schotten. Entwickelt würde eine Starkregen-Hinweiskarte, um den kommunalen Katastrophenschutz und Vorsorgeaktivitäten zu unterstützen. Sie enthielte Hinweise für die kommunale Flächennutzungsplanung, damit besonders gefährdete Stellen identifiziert und vorbeugend gesichert werden können. Es gäbe verschiedene Onlineportale des Fachzentrums Klimawandel Hessen, um sich über den allgemeinen Witterungsverlauf in Hessen sowie zu lokalen „Wetterextreme in Hessen“ (z.B. in Schotten) zu informieren.