Energiegenossenschaften – ein Modell für Griechenland? – Dr. Jutta Kneißel referiert auf der Jahrestagung der Deutsch-Griechischen Versammlung (2016)

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Dr. Jutta Kneißel referiert auf der Deutsch-Griechischen Versammlung

Dr. Jutta Kneißel, die Vorsitzende des Vereins Erneuerbare Energien für Schotten (EES), stellte auf der Jahrestagung der Deutsch-Griechischen Versammlung in Nafplio das Modell und die Geschäftsfelder der Energiegenossenschaft Vogelsberg eG vor. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hatte sie eingeladen.

Nafplio liegt auf dem griechischen Peloponnes und war die erste Hauptstadt Griechenlands. In der Deutsch-Griechischen Versammlung werden Partnerschaften von Unternehmen und Kommunen vermittelt, um die Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung regional zu fördern. 

Blick auf die Altstadt von Nafplio, der ehemaligen griechischen Hauptstadt

So wurden auf dieser Jahreskonferenz ganz unterschiedliche Praxisbespiele vorgestellt: aus der Stadtentwicklung, der Bio-Abfallwirtschaft, in der Bewässerung von Olivenhainen mit gereinigtem Abwasser, im Tourismus wo griechische Fachkräfte im Winter in Hotels im Schwarzwald aushelfen, im Katastrophenschutz, in der dualen Berufsausbildung oder in der Energietechnik wie Green Chiller, wo mit Hilfe der Sonnenenergie Kälte für Klimaanlagen in Hotels produziert wird. Es gibt Hochschulkooperationen vor allem im technischen Bereich und die kommunale Partnerschaft von Kavala und Nürnberg bei Flüchtlingen. Es gibt Jugendbegegnungen und auf dem Weg ist ein Deutsch-Griechisches Jugendwerk. Immer arbeiten eine griechische und eine deutsche Kommune zusammen. Kommunale Vertreter und Verantwortliche für die Projekte tauschen sich regelmäßig aus. Dabei legen die Griechen großen Wert darauf, dass dies „auf Augenhöhe“ passiert. Sie wollen sich nicht bevormunden lassen, sind aber immer an guten Lösungen interessiert, die sich übertragen lassen. Die Teilnehmer der Jahrestagung waren sich einig, dass solche gelebten Partnerschaften wichtig für den Zusammenhalt in Europa sind.

Der EES ist Mitglied in der Energiegenossenschaft Vogelsberg eG. Die Griechen wollten von Jutta Kneißel wissen, ob ein Genossenschaftsmodell ihre eigene Energiewende befördern kann. Viele ihrer Kraftwerke sind veraltet und werden mit Öl betrieben, das für viel Geld importiert werden muss. Dabei verfügt Griechenland über ideale Bedingungen, um Photovoltaik-, Photothermie- und Windkraft-Anlagen zu betreiben. Neben den noch immer komplizierten bürokratischen Hemmnissen fehlt es aber vor allem an kommunalen Investoren. 

Jutta Kneißel stellte ihren Vortrag unter das Motto „Wertschöpfung für die Region durch regionale Wertschöpfung“. In Deutschland finde die Energiewende vorwiegend im Ländlichen Raum statt, so ihre Beobachtung. Und dazu sei eine Genossenschaft die geeignete Gesellschaftsform. Sie ermögliche Beteiligungen bereits ab 100 Euro und habe vor allem eine demokratische Struktur. Denn jeder Genosse habe nur eine Stimme. Die Energiegenossenschaft Vogelsberg eG sei ein gutes Beispiel, dass dieses Modell funktioniere. Als sie 2011 gegründet wurde zeichneten 58 Mitglieder 331 Anteile zu 100 Euro. Heute habe sie über 500 Mitglieder und ein Kapital von über 1 Million Euro. Anfangs investierte sie in Solaranlagen überwiegend auf kommunalen Dächern. Mit der Übernahme einer Freiflächensolaranlage auf einer ehemaligen Erddeponie konnte sie dieses Geschäftsfeld stark ausweiten. Inzwischen sei sie auch im Geschäftsfeld Windenergie tätig. Hier habe sie sich mit der OVAG Energie AG zusammen getan. Dies ist eine Tochter des regionalen Energieversorgers OVAG, der im kommunalen Besitz sei. Bei der Windenergie brauche man einen erfahrenen Partner, so Kneißel. Anders seien die vielfältigen Genehmigungsverfahren und hohen Investionssummen kaum zu stemmen. Wichtig sei es aber, die Menschen in der Region, wo die Windkraft-Anlagen gebaut werden sollen, von Beginn an zu beteiligen. Das beträfe die frühzeitige Information aber auch die Möglichkeit, selber zu investieren.

EES-Vorstandsmitglied Dr. Andreas Drinkuth, der ebenfalls auf der Jahreskonferenz anwesend war, betonte in seinem Diskussionsbeitrag, dass die Energiewende nur mit und nicht gegen die Menschen zu schaffen sei. Viele Menschen hätten Angst vor Veränderungen, seien skeptisch oder hätten Wissensdefizite. Das gelte besonders bei der Windkraft. Deshalb sei eine gute Öffentlichkeitsarbeit unabdingbar, die solche Vorbehalte aufnehme. Hilfreich seien auch regionale Strukturen wie Energiegenossenschaften, ein Verein wie der EES, der Aufklärung betreibe, kommunale Klimaschutzkonzepte und die Energieberatung vor Ort. Dabei helfe es, an den unmittelbaren Interessen anzusetzen wie der Energieeinsparung oder dem sparsamen Heizen. Wichtig seien auch Informationen über staatliche Fördermöglichkeiten. Wer sich als Bürger finanziell an Investitionen zu Erneuerbaren Energien beteiligen will, könne dies durch bürgernahe Beteiligungen tun. Die Zinserträge seien gerade in der gegenwärtigen O-Prozent-Zinsphase durchweg gut. Interessant sei inzwischen das Crowd-Funding, das für Erneuerbare-Energie-Projekte an Bedeutung gewänne.