Passiert ist zu wenig – Anforderungen an eine neue Energiegesetzgebung – Konsequenzen aus Überschwemmungskatastrophen und Waldbränden (2021)

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Referent Diethardt Stamm

„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“  Mit diesem Zitat begann Diethardt Stamm, Vorstand des Energiebildungsvereins, seinen Vortrag auf Einladung des Vereins Erneuerbare Energien für Schotten

Was sich so aktuell anhört ist eine Schlussfolgerung aus dem Bericht „Grenzen des Wachstums“, der vor genau 50 Jahren erschienen ist. Viel zu viel Zeit ist seitdem verstrichen ohne dass die Politik Maßnahmen eingeleitet hätte, um die Klimakrise aufzuhalten. In einer Reihe von weltweiten Konferenzen – wie zuletzt in Paris – wurde immer wieder eine Begrenzung des Anstiegs der Erderwärmung beschworen. Passiert ist zu wenig. Das daraufhin von der Bundesregierung verabschiedete Klimaschutzgesetz wurde Anfang dieses Jahres vom Bundesverfassungsgericht als unzureichend zurückgewiesen, da es der Jugend von heute keine lebenswerte Welt zurücklasse. Viele Jugendliche haben aufgrund einer Studie von Avaaz, einer Bürgerrechtsbewegung, auch Angst vor der Zukunft. So sagen 64 % dass ihre Regierungen nicht genug tut, um die Klimakatastrophe zu verhindern führte Stamm aus.

Es gibt bereits unzählige Studien und Vorschläge die beschreiben, was dringend gemacht werden muss. Da muss nichts neu erfunden werden. Wichtig ist vielmehr die Umsetzung: z.B. Streichung klimaschädlicher Subventionen. 20,3 Mrd. € kostet die Bereitstellung und Nutzung fossiler Energieträger, 11,8 Mrd. € die Begünstigung des Flugverkehrs und 7,4 Mrd. € das Dieselprivileg. Hätte man dieses Geld zur Verfügung könnte ein Großteil der erforderlichen Investitionen z.B. in den öffentlichen Nahverkehr oder den Ausbau der Schienennetze finanziert werden. Auch ein finanzieller Ausgleich  für sozial besonders betroffene Bevölkerungsgruppen ließe sich so finanzieren.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist der Ausbau erneuerbarer Energien und hier vor allem der Photovoltaik und der Windenergie. Hier beklagte Stamm vor allem die unsägliche Bürokratie. Während das erste Erneuerbare Energien Gesetz  (EEG) 13 Seiten mit 12 Paragraphen hatte ist es heute nach zig Novellierungen ein Konvolut von sage und schreibe 600 Seiten mit 105 Paragraphen und weiteren unzähligen Verordnungen. Am Anfang war das Gesetz unglaublich erfolgreich und führte zum rasanten Ausbau der erneuerbaren Energien. Gleichzeitig entstanden Unternehmen, die sich auf den Bau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen spezialisierten und in der Spitze 150.000 Beschäftigte nur in der PV-Branche hatten. 2012 wurden so 7,5 Gigawatt Leistung installiert. Es war wohl die Angst vor der Kohle und Gas Lobby, die zu den vielen Einschränkungen führte und dazu, dass alle diese erfolgreichen Unternehmen wieder vom Markt verschwanden und damit 120.000 zukunftsträchtige Arbeitsplätze verloren gingen und sich der Neu Zubau im Jahr 2014 auf rund ¼ reduzierte. Bis heute liegen wir deutlich unter dem Niveau von 2011. Die Branche war gewerkschaftlich nicht organisiert, die Unternehmen waren mittelständisch und hatten daher  keine gesellschaftliche Kraft zu protestieren. In der Kohleindustrie sind demgegenüber 20.000 Arbeitsplätze bedroht  – hier gibt es starke Gewerkschaften und große mächtige Energiekonzerne. Heute bekommt man Module nur noch aus China, ein zusätzliches Hindernis zu den bürokratischen Hemmnissen.

Völlig absurd im neuen EEG ist die Vorschrift das sogenannte Radieschen Prinzip, dass nämlich bei Anlagen über 30 KWp bei Eigenverbrauch eine Steuer fällig wird, so als ob ich das was im Garten wächst noch bezahlen müsste.

Dringend erforderlich ist also eine Entbürokratisierung des EEG. Wir müssen im Vergleich zu heute das 6 bis 8fache an Leistung installieren, um dem Klimaziel nahezukommen. Beispiele wären Photovoltaik verbunden mit der Landwirtschaft, schwimmend auf gefluteten Tagebauen, passend in Gebäude- und Fahrzeugaufbauten, Verkehrswegen folgend oder bereits versiegelte Flächen wie Parkplätze nutzend. Die Integration von PV-Anlagen in solche bereits genutzten Flächen erschließt ein riesiges Potenzial zur Stromerzeugung – und schafft eine Fülle weiterer Synergien.

Mit einem Plädoyer in Vereinen, Bürgerinitiativen und Lobbygruppen aktiv zu werden, um Druck auf die Regierung auszuüben und so die Klimaziele zu erreichen schloss Stamm seinen mit viel Beifall bedachten Vortrag.