Mobilität im ländlichen Raum (2022)

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Pia Heidenreich-Hermann und Andreas Nicht von den "dorfbewegern"

Familie K nutzt zum Einkauf beim REWE in Stockheim das geliehene Lastenfahrrad. Fahrten zum Arzt nach Friedberg werden mit dem dorfeigenen Auto im Carsharing  unternommen. Das Zweitauto wurde abgeschafft und somit jährlich 3.000 Euro für andere wichtige Dinge eingespart! Die Familie wohnt im Ortenberger Stadtteil Effolderbach. 

Dort wurde 2020 die Initiative „Dorfbeweger“ gegründet. Sie auf dem Weg, ein umweltfreundliches dörfliches Mobilitätssystem auf den Weg zu bringen. Pia Heidenreich-Hermann und Andreas Nicht – Mitinitiatoren der „Dorfbeweger“ –  berichteten auf Einladung des Vereins Erneuerbare Energien für Schotten (EES) über ihre Fortschritte wie Schwierigkeiten.

Möglich wurde das Projekt durch öffentliche Fördermittel und der Unterstützung der Stadt Ortenberg. Auf der Grundlage einer Bürgerbefragung zum Mobilitätsverhalten durch die Auswertung von freiwillig geführten Fahrtenbüchern, Bürger-Workshops und einer Analyse der vorhandenen Mobilitätsmöglichkeiten für alle Ortsteile Ortenbergs wurde ein „multimodales Mobilitätskonzept“ mit Lösungsansätzen für den ländlichen Raum entwickelt. Ergebnisse finden sich auf der Webseite der Stadt Ortenberg: https://www.ortenberg.net/seite/414159/elektromobilität.html. Pia Heidenreich-Hermann war seit 2018 als Beauftragte der Stadt für das Projekt zuständig. „Sonst hätten wir das nie auf die Reihe bekommen“, so ihr Kommentar. 

Inzwischen gäbe es ein geleastes Elektroauto Renault ZOE, einen von der Post geleasten Street Scooter, fünf E-Lastenräder, 2 E-Klappräder und ein E-Bike. Die OVAG habe eine Elektrotanksäule in Effolderbach aufgestellt. Sie sei öffentlich, stehe also auch anderen E-Auto Nutzern zur Verfügung. Die E-Lastenräder und E-Bikes könnten kostenlos ausgeliehen werden. Sie ständen momentan bei Privatpersonen. Für den Renault ZOE werden 2 Euro pro Stunde fällig  (maximal 22 Euro pro Tag) plus 0,24 Euro pro gefahrenen Kilometer. 

Begleitet wird das Projekt durch die initiative „dorfbeweger“, inzwischen ein eingetragener Verein. Vorsitzender ist Andreas Nicht. Ein harter Kern von bis zu zehn „dorfbewegern“ trifft sich alle zwei Wochen, um über Probleme zu beraten und das Projekt voranzutreiben. Wichtige Fragen sind z.B. wo die Fahrräder und das E-Auto stehen sollen. Wie funktioniert der Ausleihvorgang? Was ist im Falle eines Schadens? Wie und von wem können die E-Bikes gewartet werden? Wie kann die Mitfahrbank attraktiver werden etc.? Es gibt inzwischen eine Webseite des Vereins mit Logo und weiteren Informationen: www.dorfbeweger.de

Zur Zeit bezahlt die Stadt noch die laufenden Carsharing-Kosten. Durch Corona ausgebremst ist die Nutzung durch die Einwohner Effolderbachs noch schleppend. Sie nehme jedoch allmählich zu. Angestrebt wird, dass private Autobesitzer ihren Zweitwagen für Car-Sharing zur Verfügung stellen und von den Einnahmen profitieren. Sie sind jedoch noch wegen der recht hohen Carsharing-Versicherung zurückhaltend. Der Verleih der Fahrräder erfolgt gegenwärtig durch Ehrenamtliche. Hier wird nach einer davon unabhängigen Lösung gesucht wie auch für die Wartung und Reparaturen.

Deutlich wurde, dass ein solches Projekt nur funktioniert, wenn es aktive Kümmerer gibt, so wie in Effolderbach die „dorfbeweger“. Ohne deren persönliches Engagement nutzen die schönsten Fördermittel nichts. Zugleich müssen sie durch einen/r hauptamtlichen Klimaschutzmanager/in bzw. Mobilitätsbeauftragte/n in der Stadtverwaltung unterstützt werden, der/die u.a. das Projekt koordiniert, Fördermittel akquiriert und ein Netzwerk zu anderen Mobilitätsprojekten im ländlichen Raum knüpft.