Das Thema Wasser hat in den letzten Monaten in Schotten und im Vogelsberg wieder an Aktualität gewonnen. Hintergrund ist eine im Bau befindliche Wasserleitung, um das Versorgungsnetz des Zweckverbandes Mittelhessischer Wasserwerke (ZMW) über das OVAG-Netz an das Rhein-Main Gebiet anzuschließen. Im Gegenzug sollen Frankfurter Wasserwerke aufgegeben werden. Nun wird befürchtet, dass damit langfristig auch mehr Wasser aus dem Vogelsberg abgepumpt wird. Auf Einladung des Vereins Erneuerbare Energien für Schotten (EES) erläuterte der Wissenschaftler Dr. Hans Otto Wack von der Schutzgemeinschaft Vogelsberg (SGV) den naturräumlichen Zusammenhang der Wassergewinnung und Grundwasserregenerierung und die Interessen der verschiedenen Akteure an der Fernwasserversorgung Frankfurts.
Wack erinnerte noch einmal an die erfolgreiche Bürgerinitiative aus den 1980er Jahren. Sie erkämpfte damals die umweltschonende Grundwasserbewirtschaftung, die im Vogelsberg erfolgreich praktiziert wurde, in Zukunft aber wieder gefährdet sein könnte. Das wäre für den Naturraum fatal, denn in den Feuchtgebieten gibt es viele Biotope aus deren riesigem genetischen Pool sich der Naturraum immer wieder regeneriere. Werden solche Gebiete trocken gepumpt würden Biotope „abgeschaltet“. Das hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Bodenbeschaffenheit. Letzteres sei früher in Inheiden passiert, wo der Boden um bis zu eineinhalb Meter absackte und sich verdichtete. Die Regeneration von Boden dauere mehrere zehntausend Jahre. Zu viel Wasser für Frankfurt sei auch im hessischen Ried abgepumpt worden, was den Grundwasserspiegel dramatisch abgesenkt hätte, so ein Diskussionsteilnehmer. Buchen und Eichen seien dort bereits abgestorben, weil ihre Wurzeln das Grundwasser nicht mehr erreichen. Eine zu hohe Wasserentnahme führe also zu irreversiblen Schäden. Das ökologische Risiko steige vor allem durch die Folgen des Klimawandels den wir auch im Vogelsberg bereits spürten mit zu trockenen Sommern und zu wenig Schnee im Winter. Schnee sei jedoch sehr wichtig für die Grundwasserneubildung, da der Boden durch die langsame Schmelze das Wasser besonders gut aufnehme. Bei starken Regenfällen wie wir sie ebenfalls immer häufiger erleben, würde das Wasser dagegen zu schnell auf der Oberfläche abfließen. Auch gäbe es in den besonders warmen Sommermonaten einen wachsenden Konflikt zwischen der Natur und dem menschlichen Wasserverbrauch, der dann enorm ansteige, während gleichzeitig auch die Natur mehr Wasser benötige. So verdunste eine Buche an warmen Tagen bis zu 500 Liter Wasser.
Zusätzliche Fernwasserlieferungen in das Rhein-Main Gebiet wie sie mit der neuen ZMW-Wasserleitung bei längeren Trockenperioden geplant seien, gefährdeten also die Natur und damit eine umweltschonende Wassergewinnung. Sie seien deshalb für die Abdeckung von Tagesspitzen nicht geeignet, so der Wasserexperte Wack. Bisher würden solche Spitzenbedarfe durch die lokalen Wasserwerke im Ballungsraum selbst bewältigt. Aber 2004 habe die Stadt Frankfurt ihre eigene Wassergewinnung an die Hessenwasser GmbH übergeben. Diese wolle kostenintensive Wasserwerke schließen, sofern sie mehr Fernwasser beziehen könne. Frankfurt müsste sein Wasser dann nicht mehr wie im heutigen Maße selbst aufbereiten. Es befreie sich so von den Kosten für die eigene Wassergewinnung und erhalte durch die Aufgabe von Wasserschutzgebieten gleichzeitig Flächen für die industrielle Nutzung und Wohnbebauung. Hier träfen sich die Geschäftsinteressen der Hessenwasser GmbH mit denen des ZMW. Der verfolge das Ziel der „Verkaufsmengensteigerung durch das Erschließung neuer Versorgungsgebiete, um die eigenen Wasserpreise niedrig halten zu können“, heißt es im Geschäftsbericht 2014. Zudem würden Kosten für den Grundwasserschutz aus dem Ballungsraum in die ländlichen Gebiete verschoben. Das könnte alleine für Schotten jährlich 120.000 Euro ausmachen, ohne dass die Stadt dafür einen Ausgleich bekommt. Bezahlen müssten das die Schottener Bürger. Der Wasserpreis in Schotten ist für das eigene Vogelsberger Wasser nahezu doppelt so hoch wie in Frankfurt.
Die Schutzgemeinschaft Vogelsberg fordere deshalb, dass der steigende Wasserbedarf im Ballungsgebiet Rhein-Main durch Eigenversorgung gedeckt und die Fernwasserversorgung reduziert werde. Für das Fernwasser müssten die ländlichen Gebiete einen Lastenausgleich erhalten. Die „umweltschonende Wassergewinnung“ müsse ins Wassergesetz aufgenommen werden. In dem jetzt auf der Landesebene angestoßenen „Leitbildprozess Wasser“ könne dafür das Bewusstsein gestärkt und die Grundlagen geschaffen werden, hofft Hans Otto Wack. Der EES unterstütze diese Anliegen, so die Vorsitzende Dr. Jutta Kneißel. Sie übergab eine Spende des Vereins von 100 Euro an die SGV. Auch werde der EES demnächst der Schutzgemeinschaft beitreten.