Baudenkmäler energetisch sanieren – Alte Ortskerne wohn- und lebenswert erhalten (2018)

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Die Referenten Jochen Karl und Julia Woisetschläger mit den Veranstaltern Jutta Kneißel und Peter Glasstetter (v.r.) vor dem Historischen Rathaus in Schotten

Die Leerstände in unseren alten Ortskernen nehmen zu. Häuser verfallen. Die Sanierung von alten Fachwerkhäusern ist aufwendig und kostet Geld. Stattdessen weisen die Kommunen neue Baugebiete am Ortsrand aus. Die Menschen bauen in diesen neu entstehenden Wohngebieten. Leider wirken diese als Gesamtensemble oft eintönig und haben keinen eigenständigen Charakter. Den besitzen jedoch unsere alten Dörfer und Städte im Vogelsberg und in der Wetterau. Der Verein Erneuerbare Energien für Schotten (EES) und der Klimaschutzbeauftrage der Stadt Schotten Peter Glasstetter hatten den Experten für Denkmalschutz und Altstadtsanierung Dr. Jochen Karl und die Innenarchitektin Julia Woisetschläger eingeladen, um über ihre Erfahrungen mit der Sanierung und den Umbau oft denkmalgeschützter Häuser in den alten Ortskernen zu berichten.

Dr. Jochen Karl konzentrierte sich in seinem Referat auf die energetische Sanierung von Fachwerkhäusern. Das sei kein ganz einfaches Unterfangen. Eine fachliche Beratung sei sinnvoll. Er fragte, wie sich die Ziele Behaglichkeit, Energieeinsparung und gesunde Bausubstanz auf einen Nenner bringen lassen. So werde die „empfundene Behaglichkeit“ – bei den meisten Menschen liegt sie zwischen 20 und 22 Grad Celsius – nicht allein von der Temperatur der Raumluft bestimmt. Eine höhere Luftfeuchtigkeit ermögliche niedrigere Wohlfühl-Temperaturen. Bei einer regelmäßigen Luftfeuchtigkeit von über 80 Prozent entstehe bei Zimmertemperaturen Schimmel. Große Fensterflächen und starke Nachtabsenkungen verleiteten zu höheren Heiztemperaturen. Im Winter drohe die Gefahr nicht von außen sondern von innen. Es müsse bei der Sanierung ein Ausgleich zwischen Wärme und Feuchtigkeit gefunden werden, so Karl. „Die Feuchtigkeit muss aus dem Gebäude entweichen können. Dafür muss Taupunkt am Außenrand der Mauer liegen.“

Der Taupunkt muss an der Außenmauer liegen

Inwieweit das gelinge hänge von der Wärmeleitfähigkeit der verwendeten Dämmmaterialien und deren Schichtstärke ab. Daraus lasse sich ein Wärmedurchgangskoeffizient errechnen, um herauszufinden, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden können. Bei Baudenkmälern oder anderer schützenswerter Bausubstanz dürften die Vorgaben überschritten werden. An verschiedenen Exponaten wie Lehmziegel, Lehmdämmplatten oder Faserdämmplatten erläuterte Jochen Karl deren Vor- und Nachteile, welche Materialien sich für die Dämmung von Außenwänden eignen oder für den Wärmedämmputz. In zu sanierenden Fachwerkhäusern könne man eine Lehm-Innenschale auch mit einer Wandheizung kombinieren.

Die Innenarchitektin Julia Woisetschläger möchte die Menschen wieder in die Ortskerne zurückholen. Sie plädierte dafür, die alten für den Ort charakteristischen Gebäude nicht abzureißen sondern in ihrer Funktion neu zu denken. Wie das gelingen kann, zeigte sie am Beispiel einer typischen Wetterauer Hofreite – ihrem eigenen Elternhaus. Gewohnt wurde nach vorne an der relativ lauten Straße, während die Schreinerwerkstatt und die Ausstellungsräume im hinteren Bereich lagen. Ihre konzeptionelle Grundidee war, den Wohnbereich nach hinten in die ehemalige Scheune und die Werkstatt sowie den Ausstellungsraum zur Straße in das ursprüngliche Wohnhaus zu verlegen. Von den Schlaf- und Wohnräumen für zwei Familien blickt man jetzt auf einen großen Garten, abgeschirmt vom Straßenlärm. Auch optisch wurden die Häuser aufgewertet, indem alte Bausubstanz wieder vom Putz befreit wurde. Die ehemalige Hofeinfahrt erhielt ein neues Holztor. Ein Treppenaufgang  wurde als elegante Wendeltreppe nach außen verlegt. Der neue Ausstellungsraum mit großen Fenstern spricht jetzt unmittelbar mögliche Kunden an.

Der Wohnbereich wurde nach hinten in die ehemalige Scheune verlegt

Für die EES-Vorsitzende Dr. Jutta Kneißel sollte der Erhalt und die Sanierung unserer alten Ortskerne wieder eine höhere Priorität in den Kommunen eingeräumt werden. Beide Referate hätten gezeigt, dass dies möglich sei. Abschließend dankte sie dem scheidenden Klimaschutzmager Peter Glasstetter für die gute Zusammenarbeit in den letzten beiden Jahren und wünschte ihm alles Gute für seine neue Tätigkeit in Wiesbaden.