“Wir brauchen mehr Menschen, die Rindfleisch essen” (2024)

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„Wenn Kühe und Rinder auf Grünland gehalten werden, sind sie eine Bereicherung für Klima und Umwelt und keine Belastung“, sagte Ulrich Mück, Agraringenieur und Berater für ÖKO-Landwirtschaft. Auf Einladung des Vereins Erneuerbare Energien für Schotten (EES) hinterfragte er das weit verbreitete Urteil, dass Rinder dem Klima schaden, weil sie durch ihr Rülpsen Methan ausstoßen, das noch viel schädlicher als Kohlendioxid ist und deshalb den Klimawandel weiter vorantreibt. Stattdessen könnte die grünlandbasierte Rinderzucht einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Die EES-Vorsitzende Jutta Kneißel und der Referent Ulrich Mück

Diese den populären Meinungen konträre Ansicht begründete er wie folgt: Die landwirtschaftlichen Flächen des „Warenkorbs Erde“ bestehen weltweit zu 75 % aus Dauergrünland und 25 % aus Acker. In Deutschland sind es 29 % Dauergrünland und 69 % Ackerfläche. Im Ökolandbau sind es 60 % zu 40 %. Bei hohem Futteranteil aus Grünland verwandeln Rinder hocheffizient „nichtessbares Grünland“ in Fleisch und Milch, so Mück, anders als Schweine und Geflügel, die aus „essbarem Acker“ sehr uneffizient Fleisch und Eier produzieren. Ein Rind produziere mehr Nahrung als es zu sich nimmt, wenn es mit Weide- und Wiesengras gefüttert wird. Der Referent nennt es „Lebensmittel-Konversions-Effizienz“. Sie liegt beim Rind bei1,44, beim Schwein bei 0,36. Schweine stünden damit in direkter Konkurrenz zu den auf Äckern erzeugten Lebensmittel wie Getreide und Gemüse für die Menschen.

Was ist nun das Besondere an den Grünlandtieren? Sie können Grünlandpflanzen und Stroh verdauen, sich damit am Leben halten und fortpflanzen. Grünlandtiere als Fleisch- und Milchproduzentin sind vor allem Rinder, Schafe und Ziegen. Nutztiere der Vergangenheit sind Esel und Pferde. Sie waren ernährungssichernd und kulturstiftend für die Menschen in weiten Teilen der Erde. Frühmenschen der Steinzeit aßen sehr viel rotes Fleisch wie auch die Neandertaler. Die Haus-Rinderhaltung ermöglichte den Ackerbau und damit die Sesshaftigkeit des Menschen in Mitteleuropa vor 8000 Jahren. Das schlug sich auch in der christlichen Kulturgeschichte nieder: Ochs, Esel und Schaf finden sich bei Christi Geburt im Stall von Bethlehem.

Quelle: Stadt Kurier Neuss, 24.12.2015

Grünland und Grasland als biodiverse Lebensräume sind offene und halboffene Weidelandschaften wie Steppen, Prärien, Trockenrasen, Halbwüsten, Tundren, Savannen, lichte Wälder, Gebirgs- und Bergregionen über der Baumgrenze und neuerdings auch das Wirtschaftsgrünland.  Grünland ist widerstandsfähiger bei stark wechselnden Witterungsbedingungen wie Trockenheit, Nässe, Spätfröste, Sturm, wechselnde Witterung, Starkregen oder Hagel als Wald und Acker. Das Dauergrünland speichert in Deutschland doppelt so viel organischen Kohlenstoff pro Hektar als Wald oder Acker, weltweit speichert Grünland fünfmal mehr Kohlenstoff als alle Äcker und 1,5mal mehr als aller Wald. Grünland schützt also das Klima.

Weidetiere seien ein „Ein Dream-Team der Evolution“. Das liege daran, dass es Gräser vertragen, gefressen zu werden. Gräser seien Feinwurzler und würden durch den ständigen Verbiss zu stärkerem Wachstum angeregt und trieben immer wieder neu aus. Rinder sind Leittiere von Humusaufbau und -erhaltung, sofern sie mit hohem Futteranteil aus Grünland gefüttert werden. Sie bieten die höchste Ernährungs- und Klimasicherheit. Rinder atmen Methan aus. Sind sie deshalb Klimakiller? Das ist der Mensch durch seinen Konsum, seine Produktionsweisen, durchs Heizen, Autofahren, Fliegen etc.

Klimaschutz in der Viehzucht ist eine Frage der Futtermittel. Während die Weidehaltung von Rindern sehr klimaschonend ist, sind Zukauffuttermittel wie Getreide und Soja sehr klimaschädlich. Das gelte natürlich auch für die Rindermästung von Fleisch oder bei Kühen für höhere Milcherträge. Deshalb sei es wichtig sein Rindfleisch bzw. seine Milch dort zu kaufen, wo sie mit Weidetierhaltung erzeugt werden. Das verweist auf regionale Erzeugungen, da die leichter zu überblicken sind.

Der Ökolandwirt Nik Hampel aus Schotten hofft, dass die vom Referenten gestellten Fragen, von welchen Futter sprechen wir eigentlich bei der Aufzucht unseres Viehs, sich in der gängigen Meinungsbildung stärker durchsetzen wird.

Ökolandwirt Nik Hampel aus Schotten

Ein „besonderes Anliegen“ waren dem Referenten schließlich die Ausscheidungen der Rinder, also die Bedeutung des Fladens für die Ökologie. Sobald er fällt ziehe er unmittelbar Fliegen und Insekten an. 267 verschiedene Insektenarten leben im, am oder vom Fladen. Sie bilden auch eine Nahrungsquelle für Vögel, Fledermäuse und mittelbar Beutegreifer. Fladen seien Nahrung für Vielfalt. Das gelte nicht für Gülle und Gärreste.

Grafik Ulrich Mück

Nun hat der Bestand an Wiederkäuern wie Rinder in Deutschland (DDR und BRD) seit 1961 um 40 Prozent abgenommen, der an Schweine um 6 Prozent und an Geflügel sogar um 200 Prozent zugenommen, die mit auf Äckern erzeugten Futtermitteln gefüttert werden. Hier müsse eine Umkehr stattfinden. Natürlich sei der Fleischverzehr in Deutschland noch immer viel zu groß und müsse reduziert werden. Aber 83 Prozent des Schlachtgewichts stammten vom Schwein und Huhn, nur 15 Prozent vom Rind. Fleischreduzierung müsse deshalb bei den Tieren ansetzen, die eigentlich systemische Lebensmittelverschwender sind. Denn deren Fleisch und Eier werden bis zu 80 Prozent mit Lebensmitteln verfüttert. Während die Nachfrage nach Öko-Milch stark zugenommen habe, stagniere die von Öko-Rindfleisch. Das müsse sich ändern. Beide Produkte gehören in den Einkaufkorb, so der Appell von Ulrich Mück.

 

Gefördert wurde diese Vortragsveranstaltung vom Hessischen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt sowie von der Öko-Modell-Region Vogelsberg.